Der Poitou-Esel
Die „Baudet du Poitou“ oder auch kurz die „Esel von Poitou“ gelten als besonders freundliche und dem Menschen zugewandte Rasse. Durch ihr außergewöhnliches Erscheinungsbild zählen sie zu den absoluten Hinguckern unter den Eselrassen, da durch viel Pflege und Hingabe richtige „Prachtexemplare“ entstehen können. Gepflegte Poitou-Esel ähneln dem Erscheinungsbild eines Afghanen-Hundes. Hinzu kommt, dass die Esel hervorragend für Spaziergänge oder für das Ziehen leichter Kutschanhänger geeignet sind. Hierbei sind diese Tiere jedoch keinesfalls „Gebrauchstiere“! Denn für schwere Arbeiten oder gar das Lastenziehen wurden sie nicht erschaffen.
Als „Poitou Esel“ oder auch „Baudet du Poitou“ dürfen nur Tiere bezeichnet werden, die im französischen Stutbuch „Baudet du Poitou“ eingetragen sind. Tiere, die nicht in diesem aufgeführt sind, dürfen sich lediglich Poitou-Kreuzung nennen. Jedoch ist es mittlerweile sehr schwierig „echte“ Poitou´s zu finden, da das Stutbuch im Jahre 2004 für das Ausland endgültig geschlossen wurde. Ein Eselfohlen erhält nur dann den Abstammungsnachweis, wenn beide Elterntiere eingetragene Zuchttiere sind. Hierdurch sind heutzutage viele „falsche“ Poitou-Esel im Umlauf, da der Erwerb solcher zuchtreinen Tiere sehr schwierig ist. Häufig werden „Mischlinge“ fälschlicherweise als Poitou-Esel verkauft.
Diese speziellen Esel wurden zu früheren Zeiten vor allem zur Erzüchtung von sehr großen und starken Maultieren benötigt. Dies war der einzige Verwendungszweck dieser friedfertigen Rieseneselrasse. Mit Hilfe von großen schweren Kaltblutpferden, den Mulassière Pferden wurden die berühmten „Mule du Poitou“ gezüchtet. Diese mit viel Behang-, Mähnen- Schweifhaar ausgestatte Kaltblutpferderasse zählt ebenfalls zum Stutbuch der Poitou-Esel. Die entstandenen unfruchtbaren Zuchtprodukte aus der Kreuzung von Pferd und Esel, die Maultiere wurden vor allem dazu verwendet, schwere Artilleriegeschütze in den napoleonischen Kriegen zu ziehen. Jedoch gehörte zu den Einsatzgebieten der Tiere auch die schwere Feldarbeit. Die reichliche Behaarung der Poitou-Esel galt damals für die Kundschaft als ein Zeichen hoher Potenz.
Früher waren die Esel in großen Teilen Westfrankreichs verbreitet, heute sind sie stark begrenzt und größtenteils nur noch in der Gegend von Melle im Département Deux-Sèvres zu finden.
Herkunft
Entstanden sein sollen diese speziellen Großesel im Südwesten Frankreichs, speziell in der Region um die Stadt „Poitiers“, die auch als „Poitou“ bekannt ist. Den Namen haben somit diese Esel der Region zu verdanken, der sie entstammen. Neuesten Erkenntnissen nach, entstammt der Ursprung dieser Rasse jedoch dem Norden Afrikas.
Jedoch ist die Herkunft der Poitou-Esel nicht klar definierbar. Es wird einerseits vermutet, dass diese besonderen Tiere von Kreuzungen der Zamorana Leone mit dem katalanischen Riesenesel abstammen, jedoch andererseits auch, dass sie aus regionalen französischen Rassen erzüchtet wurden.
Berichten zufolge reicht die Erzüchtung der Esel bis in das 10.Jarhundert zurück. Es dauerte jedoch bis zum Jahre 1717, bis die ersten Beschreibungen gefunden wurden, die dem aktuellen Typen des Poitou-Esels entsprachen. Das heutige Stutbuch wurde erstmals im Jahre 1884 begonnen. Jedoch stand kurz darauf, im Jahre 1972 die Rasse kurz vor dem Aussterben. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur noch 25 reinrassige und im Stutbuch eingetragene Tiere. Aus diesen letzten Exemplaren versuchten Liebhaber die Tiere zu erhalten und durch das Einkreuzen anderer Großeselrassen frisches Blut einzubringen. Dies gelang nur mit mäßigem Erfolg, da im Jahre 1994 nur 150 eingeschriebene Poitou-Esel vermerkt werden konnten. Grund hierfür war, dass die Hochzeit dieser Eselrasse zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert lag. In diesem Zeitraum florierte die Poitou-Maultierindustrie, aufgrund der vorherrschenden Kriegssituationen. Vor allem die USA sowie der Mittelmeerraum fragte einen Großteil der Poitou-Esel nach.
Das Stutbuch der Poitou-Esel weist eine Besonderheit auf. Es besteht aus zwei Kategorien, um einen Erhalt dieser außergewöhnlichen Riesenesel zu gewährleisten und neues Blut einkreuzen zu können. Es gibt ein Buch A für die reinrassigen Poitou-Esel und ein Buch B für die gekreuzten Zuchtprodukte. In das Stutbuch A dürfen jedoch nur Fohlen aufgenommen werden, die von zwei in A stehenden Elterntieren abstammen. Falls jedoch beispielsweise der Vater im A-Buch eingetragen und gekört ist, jedoch das Muttertier in Buch B steht, wird auch das entstehende Fohlen in das B-Buch aufgenommen.
Heutiger Stand
Heutzutage gibt es weltweit in etwa 1.000 eingeschriebene Poitou-Esel. In Deutschland beläuft sich der Bestand auf ungefähr 200 eingetragene Tiere. Hiervon gelten allerdings nur rund 50 Tiere als reinrassige Poitou-Esel und sind im Stutbuch eingetragen. Jedoch ist der wirkliche Bestand schwer zu ermitteln, da verstorbene Tiere nur selten gemeldet werden.
Aus diesem Grund sind die Tiere stark bedroht und werden auf der roten Liste der “Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V.” als gefährdet eingestuft. Dank intensiver Erhaltungsmaßnahmen im Ursprungsgebiet durch die “Association pour la Sauvegarde du Baudet du Poitou (SABAUD)” sowie durch diverse Zuchtprogramme in verschiedenen Zoos und Tierparks gibt es mittlerweile weltweit ca. 1.000 eingetragene Poitou-Esel.
Die Tiere sind nur schwer züchterisch zu erhalten, da viele gesundheitliche Probleme bedingt durch schlechtes Erbgut zu hohen Todesraten führen. Hierunter fallen beispielsweise eine mangelnde Muskulatur, diverse Gelenkprobleme durch Sehnenschwäche hervorgerufen, zu kurze Sehnen, eine schlechte Gliedmaßenstellung mit häufigen Fehlstellungen, Bockhufe, Probleme mit der weißen Linie, Karpfenrücken sowie Zahnfehler. Es ist jedoch schwierig, solch schwerwiegende gesundheitliche Probleme bei einer so kleinen Population züchterisch ausmerzen zu können.
Es ist mittlerweile äußerst schwierig einen reinrassigen Poitou-Esel erwerben zu können, trotz alledem, dass diese Tiere immer beliebter werden. Aus diesem Grund werden häufig nicht reinrassige Tiere unter gefälschten Papieren oder Angaben teuer als reinrassige Tiere verkauft. Reinrassige Poitou-Esel sind heutzutage häufig nur noch in Zoologischen Gärten zu finden.
Typische Rassemerkmale
Die Poitou-Esel sind bekannt für ihr langes und zotteliges Fell. Dieses hat eine rötlich-braune bis dunkelbraune Fellfarbe. Maul, Augenränder und Bauch sind weiß- bis silbergrau gefärbt, wobei die Übergänge zum dunkelbraunen Fell häufig rötlicher eingefärbt sind. Das Fell von zur Zucht zugelassenen Poitou-Eseln darf niemals weiße Stichelhaare im dunkelbraunen Fellbereich enthalten. Hinzu kommt, dass ein Schulterkreuz oder auch Aalstrich nicht erlaubt sind.
Häufig „zerzottelt“ oder verfilzt das Fell der Tiere enorm, dies ist jedoch ein gewünschter Effekt, da der Filz einen natürlichen Schutz vor Hautkrankheiten und Parasitenbefall bietet.
Der Poitou-Esel kann ein Gewicht von über 400 Kilogramm erreichen und gilt als schwerster Esel der Welt. Hierdurch wirkt der Esel sehr massig. Nicht zuletzt zeichnet sich diese Eselrasse durch den langen kräftigen Kopf aus, der in besonders lange, breit und gut geöffnete mit langen Haaren besetzten Ohren endet. Der Hals dieser Esel ist stark, der Widerrist jedoch verdeckt. Der angrenzende Rücken ist lang und gerade, die Lende gut verbunden und die Hüfte wenig hervorstehend. Die Oberschenkel sind häufig äußerst gut bemuskelt, die Schultern gerade und das Brustbein hervorstehend. Die Gliedmaßen der Tiere sind im Vergleich zu anderen Eselrassen sehr kräftig und die Gelenke sehr umfangreich. Die Hufe sind breit und offen sowie mit viel Behang und Fell bedeckt.
Die Größe der Tiere ist beachtlich. Aus diesem Grund gilt diese besondere Rasse als eine der größten Eselrassen weltweit. Die Stuten können eine Widerristhöhe von mindestens 1,30 Meter bis zu 1,50 Meter erreichen. Die männlichen Tiere hingegen können stattliche Höhen zwischen 1,40 Meter bis 1,56 Meter erzielen
Die Geschlechtsreife tritt bei dieser Rasse bereits im Alter von zwei Jahren ein. Hierbei ist die Paarungszeit bei diesen Tieren an keine bestimmte Jahreszeit gebunden.
Die Stuten sind zwischen 360 und 370 Tage lang trächtig und bringen häufig nur ein Fohlen zur Welt, Zwillingsgeburten sind äußerst selten. Die Fohlen werden vom Muttertier bis zu einem Alter von einem Jahr gesäugt.
Poitou-Esel weisen eine sehr hohe Lebenserwartung auf. Diese liegt zwischen 30 und 40 Jahren. Jedoch sind durch die vielen Erbkrankheiten nur wenige Tiere in der Lage, dieses stattliche Alter wirklich zu erreichen. Schwere erblich bedingte Arthrosen oder andere Beschwerden in der Muskulatur oder auch den Gelenken verwehren ein Erreichen des hohen Alters.
Übersicht der typischen Rassemerkmale:
Farbmerkmale:
- Fell: Kastanien- bis schwarzbraun – lang, zottig und oft verfilzt
- Maul, Augenränder, Bauch: weißgrau
Kopf:
- Schwer, knochig
Hals:
- Kräftig
Rücken:
- Lang und gerade
Ohren:
- Bis zu 40 cm lang
Größe der Tiere – Widerristhöhe:
- Weiblich (Stute): 1,30 – 1,50 m
- Männlich (Hengst): 1,40 – 1,56 m
Gewicht der Tiere:
- Weiblich (Stute): 300 – 350 kg
- Männlich (Hengst): 400 – 450 kg
Nutzung der Tiere:
- Früher: rein zur Züchtung von leistungsstarken Maultieren
- Heute: vor allem als außergewöhnliches Haustier
Ernährung
Poitou-Esel gelten hinsichtlich ihrer Ernährung als sehr genügsam, jedoch gilt es trotz alledem einiges bei der Fütterung zu beachten. Als Nahrung benötigt diese Rasse faserreiches, protein- und energiearmes Stroh bzw. Heu (möglichst von Magerwiesen), Holz in Form von Ästen und Zweigen, Borke, Büschen (z. B. von ungespritzten Obstbäumen, Buche, Weide, Birke).
Esel sollten laut gängigen Empfehlungen nicht zu viel und nicht zu reichliches Futter erhalten, da das Verdauungssystem der Tiere an den Lebensraum der Halbwüste oder gar Wüste angepasst ist! Doch diese Empfehlungen beziehen sich häufig nur auf kleinere Eselrassen. Die Poitou-Eseln hingegen zählen zu den größten Eselrassen der Welt, sodass bei der Ernährung der Riesenesel berücksichtigt werden muss, dass diese Tiere als äußerst schwerfuttrig gelten. Hierdurch muss individuell entschieden werden, inwieweit dem Tier trotz der Fütterungsempfehlungen auch Kraftfutter oder sehr frisches Weidegras zur Verfügung gestellt werden sollte.
Des Weiteren muss frisches Wasser sowie ein Salzleckstein oder eine Mineralleckschale dauerhaft und in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Zur Vermeidung von Mangelerscheinungen sollte ebenfalls ein ausgewogenes Mineralfutter zugefüttert werden.
Herdeneigenschaften
Grundsätzlich sind Esel, ebenfalls die Poitou-Esel, in Gruppen zu halten, da eine Einzelhaltung der Tiere nicht artgemäß ist und gegen die Grundsätze des Tierschutzgesetzes verstößt. Besonders in den ersten Lebensjahren ist ein ausreichender Sozialkontakt zum Muttertier oder auch mit artgleichen Gefährten wichtig. Fehlt diese artgerechte Aufzucht, kann es zu schwerwiegenden Verhaltensstörungen kommen, die auch im höheren Alter nicht mehr behoben werden können. Hinzu kommt, dass die Tiere nicht mehr oder nur sehr schwer sozialisiert werden können.
Bei wildlebenden Eseln werden sowohl Stuten- als auch Junggesellen-Gruppen beobachtet. Hierbei bilden sich Grüppchen aus zwei bis zu fünfzig Tieren, wobei die einzelnen Gruppentiere häufig wechseln können. Diese Grüppchen sind nicht ortstreu und ziehen auf der Suche nach Nahrung umher. Hingegen gelten adulte Eselhengste als ortstreu, sodass das Verlassen des eigenen Reviers zu Stress und Unwohlsein führen kann. In der freien Natur hat der Eselhengst ein ca. 5-10 qkm großes Revier, welches er mit Urin, Kot sowie seiner Stimme markiert. Während umherziehende Stuten eingeladen werden, werden andere Eselhengste aggressiv vertrieben und so davon abgehalten, sein Gebiet zu betreten. Dieses, normal gegenüber Artgenossen gezeigte aggressive Verhalten, kann auch gegenüber dem Menschen ausgeübt werden. Stuten und Wallache gelten hingegen gegenüber dem Menschen als sehr interessiert bis zutraulich und anhänglich.
Auch der domesitzierte Eselhengst verfügt noch über das Sozialverhalten seiner wilden Vorfahren. Eine Großesel-Herde besteht in der Regel aus einem Eselhengst und einer Stutengruppe mit ihren Fohlen. Sobald die männlichen Jungtiere jedoch geschlechtsreif werden, vertreibt sie der Eselhengst, weshalb sie meist kastriert werden müssen.
Diese Faktoren müssen bei einer Poitou-Eselhaltung unbedingt berücksichtigt werden! Wenn jedoch alle Haltungsbedingungen eingehalten werden, gelten die Tiere als äußerst Menschenbezogen und können optimal für pädagogische oder therapeutische Ansätze genutzt werden. Jedoch sind sie auch hervorragend für die Pflege von Landschaften geeignet, da sie durch die Beweidung dominante Gräser nachhaltig zurückdrängen. Zusätzlich lassen sich auch Gehölze sehr gut eindämmen.